PFAS in Lebensmitteln - relevantes für die Schweizer Industrie
Ursprung von PFAS in Lebensmitteln:
Zu den PFAS (perfluoralkylierte und polyfluoralkylierte Schadstoffe) gehören mehr als 4700 synthetische chemische Moleküle. Ihre physikalisch-chemischen Eigenschaften wie Hitze-, Säure-, Wasser- und Fettbeständigkeit erklären ihren weit verbreiteten Einsatz in zahlreichen industriellen Anwendungen und in einer Vielzahl von Produkten, einschliesslich Bedarfsgegenständen. Es gibt keine natürlichen Quellen für PFAS. Sie werden seit über 80 Jahren industriell hergestellt. In der Umwelt und in unserem Körper sind diese Moleküle als persistente organische Schadstoffe (POPs) bekannt. Aus der Vielzahl an chemischen Verbindungen und ihren Anwendungsfeldern resultieren verschiedenste Eintragspfade und Transportwege von PFAS in der Umwelt. Dies verdeutlicht die nachfolgende Abbildung:
Warum werden für PFAS-Höchstwerte festgelegt?
Die EFSA sowie WHO haben zahlreichen Daten gesammelt und ausgewertet die zeigen, dass PFAS unter anderem über die Ernährung in den menschlichen Körper gelangen und sich dort teilweise anreichern können. Nach heutigem Wissensstand sind für einige PFAS unterschiedliche gesundheitsschädigende Wirkungen bekannt. In einer Schweizer Gesundheitsstudie wurde die Hintergrundbelastung der Bevölkerung mit PFAS bestimmt. In allen gemessenen Blutserumproben wurden PFOA, PFHxS und PFOS gefunden. Die in dieser Studie gemessenen PFAS-Konzentrationen waren insgesamt mit denen vergleichbar, die in ähnlichen Studien in Europa und Kanada ermittelt wurden. Angesichts der möglichen gesundheitlichen Risiken soll die Aufnahme von PFAS minimiert werden.
Regulierung und Grenzwerte:
Auf der Basis der Beurteilung der EFSA und der Einführung von EU-weit gültigen Höchstgehalten für PFAS in Lebensmitteln zieht die Schweiz mit.
Für untenstehende Lebensmittel tierischen Ursprungs gelten ab Februar 2024 Höchstwerte. Die Höchstwerte werden in Anlehnung an die Gesetzgebung der Europäischen Union EU für die vier prioritären Substanzen PFOS, PFOA, PFNA und PFHxS und deren Summe festgelegt.
Die Höchstgehalte gelten für die Summe aus linearen und verzweigten Stereoisomeren, ungeachtet dessen, ob sie chromatografisch getrennt sind.
Für die Summe aus Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), Perfluoroctansäure (PFOA), Perfluornonansäure (PFNA) und Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS) werden Konzentrationsuntergrenzen auf Basis der Annahme berechnet, dass alle Werte unterhalb der Bestimmungsgrenze bei 0 liegen.
Sofern der gesamte Fisch zum Verzehr bestimmt ist, gelten die Höchstgehalte für den gesamten Fisch. Die Höchstgehalte gelten nicht, sofern sie zur Herstellung von Beikost für Säuglinge und Kleinkinder bestimmt sind.
Bei Produkten in Konservendosen wird die Analyse für den gesamten Konserveninhalt durchgeführt.
1 Diese Analysen werden in einem akkreditierten Labor innerhalb des Eurofins-Labornetzwerks durchgeführt. Die Liste ist nicht abschliessend.
Aktuelles aus der Schweiz (September 2024):
Zurzeit werden im ganzen Land Tests durchgeführt. Dies, nachdem der Bund Anfang Jahr Grenzwerte für die PFAS-Stoffe in Fleisch, Fisch und Eiern publiziert hat. Nach einer mehrmonatigen Übergangsfrist gelten diese seit dem 1. August. Der Kanton St. Gallen ist der erste Kanton, der Ergebnisse präsentiert. Im Kanton St. Gallen ist in einer breit angelegten Untersuchung das Vorkommen der problematischen Chemikalie PFAS abgeklärt worden. Entdeckt wurden zahlreiche belastete Flächen. Als erste Massnahme ist in einigen Landwirtschaftsbetrieben der Verkauf von Fleisch gestoppt worden. - mehr dazu
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit (BLV) prüft, ob die Grenzwerte für PFAS auf weitere Lebensmittel ausgeweitet werden müssen. «Zusammen mit den Kantonen sammeln wir Belastungen weiteren Lebensmittelgruppen», sagt Michael Beer, BLV-Vizedirektor. «Sobald wir diese Daten haben, werden wir weitere Massnahmen, wie beispielsweise Höchstwerte festlegen.» Dabei werde man sich an der EU orientieren.
Ausblick:
Es ist anzunehmen, dass PFAS in Zukunft analog zu Dioxinen und PCB in den dauerhaften Fokus der Kontrollinstanzen rücken und die Risikobetrachtung für die Lebensmittel- und Futtermittelindustrie beeinflussen werden.
Trinkwasser: Die Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern EDI über Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugänglichen Bädern und Duschanlagen (TBDV) regelt bisher drei PFAS mit Höchstwerten: Je 0,3 µg/l für PFOS und PFHxS und 0,5 µg/l für PFOA. Aufgrund neuer Anforderungen bezüglich PFAS in der EU-Trinkwasserrichtlinie überprüft das BLV die TBDV-Höchstwerte. Diese werden voraussichtlich durch einen Höchstwert von 0,1 µg/l für die Summe von 20 ausgewählten PFAS ersetzt. Der neue Höchstwert soll in der Schweiz im Einklang mit der Umsetzung in der EU ab 2026 gelten (Quelle).
Aktuelles aus Europa:
Namhafte Zeitungen bzw. Nachrichtensender (z.B. The Guardian (UK), Spiegel (Deutschland)) zitierten kürzlich eine in der Zeitschrift Science of The Total Environment veröffentlichte Studie über PFAS und deren Nahrungsquellen für die menschliche Exposition. Etwas überraschend konnten nicht nur bekannte Quellen wie Eier, Fisch und Meeresfrüchte, sondern auch weisser Reis und Kaffee mit höheren PFAS-Werten im menschlichen Körper in Verbindung gebracht werden (im Kontext der zitierten Studie).
Gemäss den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) besteht eine gesunde Ernährung zum grössten Teil aus Gemüse, Obst und Getreide. Daneben werden in geringerem Umfang Milch und Milchprodukte sowie seltener Fleisch, Fisch und Eier empfohlen. Hohe Verzehrsmengen sind damit bei den pflanzlichen Lebensmittelerzeugnissen zu erwarten, für die entsprechend den EU-Anforderungen gemäss Empfehlung (EU) 2022/1431 besonders niedrige Bestimmungsgrenzen in der Analyse auf PFAS erzielt werden sollen. Die European Food Safety Authority (EFSA) hat für die Schadstoffklasse PFAS toxikologische Schwellenwerte für eine tolerierbare Aufnahme abgeleitet und die Exposition des Menschen durch PFAS begutachtet. Im Ergebnis weisen Säuglinge und Kleinkinder die höchste Exposition auf, wodurch ihrer Nahrung ein besonderer Fokus zukommt. So fordert die EU in ihrer Empfehlung (EU) 2022/1431, das Vorkommen von PFAS in Säuglings- und Kleinkindernahrung mit besonders niedrigen Bestimmungsgrenzen systematisch zu erfassen.
BfR veröffentlicht Orientierungswerte für PFAS in Futtermitteln: Unter Berücksichtigung von Transferstudien an landwirtschaftlichen Nutztieren hat das BfR toxikokinetische Modelle für folgende ausgewählte Nutztiere erstellt: Legehenne, Mastrind, Schaf, Mastschwein, Milchkuh. Dabei wurde angenommen, dass eine Exposition der Tiere nur über das verfütterte Alleinfuttermittel und ohne vorherige Exposition des Tieres gegenüber PFAS erfolgt. Auf dieser Basis wurden maximal mögliche PFAS-Gehalte in Alleinfuttermitteln ermittelt, bei deren Verfütterung die EU-Höchstgehalte für die entsprechenden Lebensmittel rein rechnerisch nicht überschritten werden. Diese Werte können bis zur Festlegung von Höchstgehalten in Futtermitteln als verbraucherschutzbasierte Orientierungswerte dienen.
PFAS-Pestizide:
In den letzten Monaten haben Artikel in den traditionellen und sozialen Medien auf das Vorhandensein so genannter PFAS-Pestizide hingewiesen. Dabei ging es um die Anzahl dieser Pestizide, ihre rasch zunehmende Verwendung in der EU und die Tatsache, dass Rückstände in Obst und Gemüse gefunden werden.
Im November 2023 veröffentlichte PAN (Pesticide Action Network Europe) einen Bericht über die Zulassung und den Verkauf von PFAS-Pestiziden, in dem festgestellt wurde, dass 37 in der EU verwendete Wirkstoffe als PFAS definiert sind. Diesem Bericht folgte im Februar 2024 eine Untersuchung des Vorkommens von PFAS-Pestiziden in Obst und Gemüse in der gesamten EU mit Daten aus nationalen Überwachungsprogrammen zwischen 2011-21. Diese Studie zeigte, dass im Jahr 2021 als PFAS eingestufte Pestizide in 20 % der in der EU angebauten Früchte/Beeren und in 12 % des Gemüses zu finden waren. Die Rückstandshöchstwerte (MRL) wurden jedoch in der Regel nicht überschritten. Unter den EU-Produkten mit 30 % oder mehr nachgewiesenen Rückständen sind Erdbeeren, Pfirsiche, Aprikosen und Gurken zu nennen. Die entsprechenden Zahlen für die Einfuhr in die EU lagen bei 18 % (Obst) und 12 % (Gemüse).
Nach Ansicht von PAN sind die Zulassung, die Verwendung und die gefundenen Rückstände in mehrfacher Hinsicht bedenklich. In Bezug auf die Risikobewertung wird behauptet, dass die PFAS-Eigenschaften der Pestizide und ihrer Metaboliten nicht vollständig berücksichtigt werden, und dass dies auch für die Cocktailwirkung und die Persistenz der Moleküle einschliesslich der Abbauprodukte gilt. Aus dieser Argumentation wird auch gefolgert, dass es nicht zu rechtfertigen ist, dass Pestizide von der von der ECHA vorgeschlagenen allgemeinen PFAS-Beschränkung ausgenommen werden.